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Im Gespräch mit Martina Janssen, Sustainability Manager Human Rights bei Nestlé in Deutschland

Das Gesetz empfiehlt Unternehmen unter anderem, Menschenrechtsbeauftragte einzusetzen. Wie haben Sie dies als Nestlé Deutschland umgesetzt?

Wir haben ein Human Rights Steering Committee ins Leben gerufen, welches die Funktion des Menschenrechtsbeauftragten übernimmt. Es setzt sich zusammen aus den Leiter:innen der Fachabteilungen: Recht, Compliance, Nachhaltigkeit, Kommunikation, Supply Chain und Einkauf. Das Human Rights Steering Committee überwacht das Risikomanagement sowie die Umsetzung des LkSG und berichtet direkt an die Unternehmensleitung. Für die operative Umsetzung des Gesetzes sind zwei Personen zuständig – konkret sind das mein Kollege Florian Köhler und ich. Wir sind verantwortlich für die Umsetzung aller Anforderungen aus dem LkSG in enger Zusammenarbeit mit internen Stakeholdern wie dem Steering Committee des deutschen Marktes und dem globalen Human Rights Core Team. Zugleich sind wir direkte Ansprechpartner:innen für das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Es kann herausfordernd sein, die verschiedenen Rollen und Verantwortungen innerhalb des Committee zu koordinieren. Jedoch sehen wir klar die Vorteile: Das interdisziplinäre Committee ermöglicht es uns, schnell und flexibel nötige Prozessänderungen voranzutreiben, was besonders in der aktuellen Phase der Implementierung von Bedeutung ist.

Von welchen potenziellen Menschenrechtsverletzungen können Lieferketten der Lebensmittelindustrie im Geltungsbereich des LkSG betroffen sein und wie begegnen Sie diesen Herausforderungen?

Wenn wir auf die Herausforderungen innerhalb der Lieferketten der Lebensmittelindustrie schauen – das gilt für Nestlé gleichermaßen – gibt es im Geltungsbereich des LkSG zwei Ausprägungen: strukturelle und individuelle Menschenrechtsverletzungen. Zu Ersterem zählen strukturelle Problematiken wie beispielsweise Landraub und damit einhergehend oft das Betroffensein von indigenen Völkern in den jeweiligen Schwellen- und Entwicklungsländern. Mögliche Menschenrechtsverletzungen werden von vor Ort tätigen Organisationen mit uns gemeinsam adressiert – das geschieht bereits seit vielen Jahren, dennoch konnten wir diese noch nicht in Gänze bewältigen. Hierzu bedarf es auch der Unterstützung der lokalen Regierungen. Umso mehr gilt es jetzt im Sinne des LkSG, zu schauen, mit welchen Hebeln wir als Nestlé weiter zu einer Verbesserung der Situation beitragen können. Im Kontext der individuellen Menschenrechtsverletzungen wollen wir erreichen, dass diese uns noch besser über unsere bestehenden Beschwerdekanäle erreichen – welche Stellschrauben dafür notwendig sind, wollen wir identifizieren. Auch branchenübergreifend setzen wir uns mit dem Thema Beschwerdemechanismus auseinander und engagieren uns in zwei Projekten im Rahmen des Due Diligence Fund der Initiative für nachhaltige Agrarlieferketten (INA).

Das Gesetz sieht vor, dass betroffene Unternehmen im Rahmen der Risikoanalyse potenzielle Risiken von ihren unmittelbaren Zuliefer:innen verifizieren und konkretisieren lassen. Wie gehen Sie mit der Flut an Fragebögen um?

Es ist tatsächlich so, dass wir derzeit eine Menge Fragebögen von unseren Kundinnen und Kunden erhalten. Jeder Fragebogen ist anders aufgebaut, muss genau geprüft und verstanden werden. Das ist aktuell eine sehr zeitintensive Aufgabe. Langfristig wünschen wir uns, dass sich Prozesse etablieren, die mehr Standardisierung beinhalten und auch die Qualität der Lieferantenbeziehung mit einbeziehen. Wir sind der festen Überzeugung – ganz im Sinne des LkSG – dass wir Risiken entlang der Lieferkette nur in beständigen und vertrauensvollen Lieferantenbeziehungen bewältigen können. Ein Fragebogen hilft da nur bedingt weiter. Daher setzen wir punktuell auf qualitative Interviews und hoffen dadurch langfristig nicht nur Transparenz zu erreichen, sondern auch unsere Lieferantenbeziehungen systematisch weiterzuentwickeln. Dieses Vorgehen könnten wir uns für alle strategisch relevanten oder risikoreichen Lieferant:innen vorstellen. Außerdem sehen wir in den beim BAFA zukünftig vorliegenden Berichten – in Form einer konsolidierten Risikodatenbank – einen großen Mehrwert als zusätzlichen belastbaren Referenzrahmen für Risikobewertungen.

Martina Janssen