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„Den Körper hegen und pflegen“

Interview mit Peter Wippermann
Selbstoptimierung durch Ernährung – Nestlé© Deutschland AG
Wenn der Beruf immer anstrengender wird, Frei- und Arbeitszeit verschmelzen und wir immer „funktionieren“ müssen, stellen sich viele Verbraucher zurecht die Frage: Wie soll ich das nur schaffen? Der Trend der Stunde – und die Antwort darauf – lautet: Selbstoptimierung. Was das bedeutet, wie es funktioniert und welche Chancen und Risiken bestehen, erklärt Peter Wippermann, Trendforscher und Professor für Kommunikationsdesign an der Folkwang Universität der Künste in Essen.

Herr Wippermann, Sie beschäftigen sich Jahrzehnten mit gesellschaftlichen Veränderungen und Trends. Wie entsteht eigentlich ein Trend?

Peter Wippermann: „Dieser entsteht immer an den Rändern einer Gesellschaft. Er basiert stets auf echten Bedürfnissen. Ob er sich entwickelt, hängt davon ab, wie sinnvoll er für die Mehrheit der Gesellschaft ist. Schauen Sie sich im Bereich der Ernährung das Thema Bio an: Das ging von der Nische in den Lebensbereich sehr vieler Konsumenten über. Es entwickelte sich von einer Anti-Kultur zum Mainstream – was viele Jahre dauerte.“

Was früher undenkbar war, wird heute Realität: Wir analysieren unsere Schlafphasen, zeichnen unseren Puls auf und zählen unsere Schritte. Alles um die Funktionsweise unseres Körpers zu verbessern. Welche Gadgets zur Selbstoptimierung gibt es bereits heute?

„Nahrung, die die Kraft und Leistung steigern soll, gibt es seit Jahren. Wenn Sie einen Power-Riegel essen, dann möchten sie dadurch mehr Kraft für den Sport, um länger durchzuhalten. Doch nun kommt eine neue Entwicklung hinzu: Die Ideen, die hinter dem ‚Quantify Yourself‘ stecken, waren zunächst nur ein Nischenthema, das sich dann über die Fitness-Apps im Sportbereich durchgesetzt hat. Mittlerweile ist das Thema bei den Jüngeren im Mainstream angekommen, auch wenn sie keine Leistungssportler sind. Die wichtigsten Utensilien stellen Tracking-Geräte dar, zum Beispiel Fitness-Armbänder. Der Fachverband Bitkom schätzt, dass in Deutschland bereits jeder achte Bürger über 14 solch ein Tracking-Gerät nutzt. Auf dem US-Markt sollen laut einer Schätzung bereits 2018 rund 60 Milliarden US-Dollar dafür ausgegeben werden.“

Können wir uns auch über unsere Ernährung selbst optimieren, mit bestimmten Lebensmitteln zum Beispiel?

„Alles fängt mit einer ausgewogenen Ernährung an: Das Verhältnis zwischen Kohlenhydraten, Proteinen, Fetten und so weiter muss stimmen. Natürlich können Sie sich über die Aufnahme von bestimmten Lebensmitteln selbst zu mehr Kraft und Leistungsfähigkeit bringen. Was früher Nüsse waren, ist heute der Eiweiß-Riegel. Oder Sie greifen zu Fatburnern, um so überschüssiges Fett abzubauen.“

Mit welchen weiteren Lebensmitteln zur Selbstoptimierung rechnen Experten in den nächsten Jahren?

„Schon heute benutzen Menschen, die viel Stress ausgesetzt sind oder ständig Leistungen auf höchstem Niveau erbringen müssen, Mittel, um sich zu pushen: zum Beispiel Energy Drinks. Zudem werden aktuell ‚Wunderfrüchte‘ wie Goji- und Acai-Beeren oder Detox-Tee immer beliebter. Sie sollen besonders gute Inhaltsstoffe enthalten und förderlich für die Entgiftung des Körpers sein.“

Können diese neuen Lebensmittel bedenkenlos konsumiert werden?

„Ja, sicher. Aber ob sie wirklich besser sind als herkömmliche Produkte, halte ich für zweifelhaft. Klar ist: Der Markt bewegt sich im Moment in einem Spannungsfeld. Lebensmittel, die für bestimmte Zielgruppen wie ältere oder erkrankte Menschen entwickelt werden, sind bereits viel präziser als die Produkte, die sich auf dem Massenmarkt finden lassen. Gesundheitliche Vorteile werden mit der Ernährung kombiniert.“

Eine ethische Frage: Wo liegen Risiken für die Gesundheit oder für die Gesellschaft, wenn sich jeder künstlich optimiert?

„Ich sehe hier eher die Vorteile. Denn in einer Gesellschaft, in der sich kollektive Sicherungssysteme auflösen und in der man einer Individualisierung in Bezug auf den eigenen Körper einen hohen Wert beimisst, wird der Wert Gesundheit immer wichtiger. Den Körper zu hegen und zu pflegen ergibt ökonomisch Sinn. Diese Entwicklung ist sowohl bei jüngeren als auch bei älteren Menschen zu beobachten. Das betrifft jedoch Konsumenten, die in der Lage sind, sich dies auch zu leisten.“

Da Sie sich seit Jahren mit dem Thema beschäftigen: Was machen Sie ganz persönlich, wenn es um Mittel zur Selbstoptimierung geht?

„Mein Frühstücksernährungsverhalten hat sich deutlich verändert. Ich esse ein auf mich persönlich abgestimmtes Müsli und verzichte auf koffeinhaltigen Kaffee.“

Bildrechte: GettyImages